Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände präsentierten aktuelle Jahresumfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung: Konjunktureller Abschwung in Thüringen angekommen. M+E-Industrie besonders betroffen, fast ein Drittel der Firmen rechnet mit schlechterem ersten Halbjahr 2020, rückläufige Auftragsreichweite, Fachkräftesuche weiter schwierig.
Medieninformation
Umfrage der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Thüringens 2020
Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Thüringens präsentierten die aktuelle Jahresumfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung in Thüringen 2020: Konjunktureller Abschwung in Thüringen angekommen. M+E-Industrie besonders betroffen, fast ein Drittel der Firmen rechnet mit schlechterem ersten Halbjahr 2020, rückläufige Auftragsreichweite, Fachkräftesuche weiter schwierig
VWT-Präsident Hartmut Koch: "Die Wirtschaftsstimmung ist verhalten abwartend bis wenig optimistisch. Knapp ein Drittel der befragten Firmen rechnet mit einem schlechten ersten Halbjahr. Angesichts des konjunkturellen Abschwungs braucht die Thüringer Wirtschaft eine investitionsfördernde Fiskalpolitik, intensiven Breitbandausbau und keine weiteren Belastungen."
2019 war ein durchwachsenes Jahr für die Thüringer Wirtschaft. Im Jahresverlauf erwies sich die Inlandsnachfrage solide, während es im außenwirtschaftlichen Feld immer schwieriger wurde. Baugewerbe, Tourismus, Gastronomie und Handel profitierten von günstigen Arbeitsmarktbedingungen, niedrigem Zinsniveau und gestiegenen Einkommen. Im Gegensatz dazu mussten Schlüsselbranchen wie die Automobil- und Zulieferindustrie deutliche Umsatzverluste verkraften. 2020 rechnen wir in Deutschland nur mit einem geringen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von maximal 0,5 Prozent. Das wirtschaftliche Hoch der letzten zehn Jahre ist vorbei und der wirtschaftliche Abschwung hat Thüringen erreicht. Damit fällt die Bilanz der Thüringer Industrie verhaltener aus als in den vergangenen Jahren. Das belegt auch die aktuelle Umfrage der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände 2020. Die Wirtschaftsstimmung ist verhalten abwartend bis wenig optimistisch. Knapp ein Drittel (28,6 Prozent) der befragten Firmen rechnet mit einem schlechten ersten Halbjahr (2019: 16 Prozent). Noch eindeutiger sind die Einschätzungen für den Standort Thüringen insgesamt: Hier legten die negativen Einschätzungen von 10,3 Prozent auf 40 Prozent deutlich zu. Konkret spiegelt sich das in der Auftragslage wider. Die Auftragsreichweite ist rückläufig und liegt im Durchschnitt bei viereinhalb Monaten Vorlauf. Auswirkend auf die Produktion erwartet nur eine Minderheit der Unternehmen (16,7 Prozent) steigende Produktion. Die Mehrheit geht von stagnierender oder sinkender Produktion aus. Damit werden sinkende Erträge einhergehen.
Von dem wirtschaftlichen Abschwung in Thüringen waren zuerst und ganz besonders stark die Metall- und Elektroindustrie sowie die Automobilindustrie betroffen. Die gesamte M+E-Industrie ist nicht nur in der Rezession, sondern hat mit Digitalisierung und E-Mobilität einen doppelten Strukturwandel zu bewältigen, der jedes Unternehmen trifft und hohe Investitionen erfordert, damit neue Produkte und Geschäftsmodelle entstehen. Das Geld für diese Investitionen muss verdient werden. In einer Rezession ist das naturgemäß schwieriger. In den Auswirkungen werden sich konjunkturelle und strukturelle Ursachen vermischen, und dort liegt der wesentliche Unterschied zu 2008/2009. Bei konjunkturellen Ursachen kann Kurzarbeit weiterhelfen. Im Strukturwandel verändern sich Tätigkeiten. Allmählich sind auch die anderen Branchen betroffen. Derzeit sprechen wir noch von einer Industrierezession. Es ist nicht auszuschließen, dass es Auswirkungen auf andere Bereiche wie Dienstleistungen oder Handel gibt.
Trotz des wirtschaftlichen Abschwungs bleibt die Verfügbarkeit geeigneter Fachkräfte und Auszubildender ein zentrales Thema der Thüringer Wirtschaft. Der Strukturwandel in der Automobilindustrie, die Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle braucht geeignete Fachkräfte. Unverändert hoch ist das Ausbildungsengagement der Firmen. Knapp 58 Prozent der Mitgliedsfirmen der Arbeitgeberverbände bilden aus. Während 2015 noch 44 Prozent der Befragten nicht alle oder gar keinen der Ausbildungsplätze besetzen konnten, waren es 2019 bereits knapp 60 Prozent. Häufig werden Mindestanforderungen für das Bestehen der Ausbildung nicht erfüllt. Konstant bewertet ein Drittel die Ausbildungsfähigkeit der Bewerber mit gut. Noch gelingt es zwei Drittel (60 Prozent) der Firmen kurzfristig, den Fachkräftebedarf zu decken, einem Drittel (35,7 Prozent) gelingt es kaum noch oder gar nicht. Während des wirtschaftlichen Abschwungs relativiert sich das, ändert aber nichts an der Tatsache, dass Thüringen weiter Fachkräfte benötigt. Perspektivisch können knapp 43 Prozent der Firmen, den Bedarf an Fachkräften decken, etwas mehr als die Hälfte (54,3 Prozent) geht nicht davon aus. Thüringen ist auf Zuwanderung angewiesen. Im Unterschied zu anderen Bundesländern ist der Altersdurchschnitt der Belegschaften höher mit mehr Anspruchsberechtigten für die Rente mit 63, Tendenz steigend. 2020 und 2021 ist davon auszugehen, dass jeweils knapp drei Prozent der Beschäftigten mit 63 Jahren in Rente gehen.
Knapp 66 Prozent der Firmen nehmen Thüringen als attraktiven Wirtschaftsstandort wahr. Zu den wichtigsten Forderungen gehören investitionsfördernde Fiskalpolitik, um die Wirtschaft zu stimulieren. Standortattraktivität ist eine der größten Herausforderungen für den Freistaat in den nächsten Jahren. Themen sind wirtschaftsnahe Infrastruktur, Breitbandausbau und Digitalisierung. Nach einigen Belastungen der Firmen in der vergangenen Legislaturperiode wie zusätzlicher Feiertag, vergabespezifischer Mindestlohn oder Thüringer Klimagesetz, sollten die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit Thüringer Firmen und ein investitionsfreundliches Klima gefördert werden. Dazu braucht Thüringen eine wirtschafts- und industriepolitisch geprägte Standortdiskussion, die zwischen politischen und wirtschaftlichen Akteuren auf Augenhöhe geführt werden sollte. Ziel muss sein, Thüringen als attraktiven und weltoffenen Standort mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen verstärkt in der öffentlichen Wahrnehmung darzustellen. Im Kampf um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland ist ein weltoffenes Klima in Städten und Gemeinden notwendig, damit sich Menschen für Thüringen entscheiden.
Die komplette Umfrage finden Sie hier.
Dr. Ute Zacharias
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